„Freund, dazu bist du gekommen?“ (Mt 26,50)

April 16, 2025

In der Heiligen Woche rückt eine Gestalt ins Zentrum, die wir oft an den Rand drängen: der Jünger Judas. Die Liturgie erinnert uns an ihn nicht als abschreckendes Beispiel, sondern als Spiegel. Der sogenannte „Judas-Mittwoch“ stellt uns einen Menschen vor Augen, der nicht weit weg stand – sondern mitten unter den Zwölf. Wer den Verrat der Karwoche begreifen will, muss sich der Nähe stellen, die Judas hatte. Und der Freiheit, die er missbrauchte.

Kein Fremder, kein Feind

Judas war kein Gegner Jesu. Er war Jünger, Begleiter, Zeuge. Er teilte das Brot, er hörte die Gleichnisse, er sah die Heilungen. Kein Abseitiger – ein Mitgehender. Gerade das macht seinen Fall so erschütternd: Der Verrat kommt nicht aus der Ferne, sondern aus der Mitte. Judas entschied sich nicht aus Unwissenheit gegen Jesus, sondern im Wissen. Im Evangelium heißt es: „Darauf ging einer der Zwölf namens Judas Iskariot zu den Hohepriestern“ (Mt 26,14). Judas ist kein Opfer von Umständen, er geht bewusst und aktiv zu denen, die Jesus feindlich gegenüberstehen. Er ist nicht ein Jünger, der zufällig auf den falschen Weg gerät, sondern jemand, der die Konsequenzen seines Handelns kennt.

Der Judaskuss

Der, den ich küssen werde, der ist es; nehmt ihn fest!“ (Mt 26,48) Kein Schwert, kein Ausruf – ein Kuss. Ein Zeichen der Freundschaft, der Intimität. Gerade darin liegt die Wucht: Der Verrat kommt nicht durch Gewalt, sondern durch Zärtlichkeit. Judas verrät mit einer Geste, die Vertrauen bedeutet. Damit entlarvt er nicht nur sich selbst, sondern zeigt, wie leicht Nähe missbraucht werden kann. Der Kuss ist das Symbol einer verdrehten Freiheit: eine Bewegung der Liebe, entkernt und zweckentfremdet. Er zeigt: Auch der, der äußerlich alles richtig macht, kann im Innersten bereits gegangen sein.

Erwählt – und doch nicht gerettet?

Die Nähe zu Christus schützt Judas nicht. Die Erwählung rettet ihn nicht. Im Kontrast dazu steht eine Randfigur: der rechte Verbrecher am Kreuz. Kein Jünger. Kein Erwählter. Kein Weg mit Jesus. Die einzige gemeinsame Stelle ist der Tod am Kreuz. Seine Worte bestätigen das Opfer Jesu: Er ist unschuldig! Und zu diesem Menschen sagt Jesus: „Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein“ (Lk 23,43). Der eine lebt in der Nähe und geht verloren. Der andere stirbt neben Jesus – und wird gerettet. Es ist eine Warnung an alle. Keine Erwählung schützt, wenn das Herz sich verschließt. Und keine Ferne hindert die Gnade, wenn der Mensch sich ihr öffnet.

Gott gibt ihn nicht auf

Im Johannesevangelium gibt es eine Geste, die alles offenhält: Jesus reicht auch Judas den Bissen. Kein Rückzug, keine Ausgrenzung. Gemeinschaft bis zuletzt. Die Antwort des Judas ist der Gang in die Nacht. „Es war aber Nacht“ (Joh 13,30). Die Gnade Gottes kennt aber keine Grenze. Die Erwählung und das Angebot bleiben. Ob Judas es noch einmal ergriffen hat, bleibt offen. Aber in der Geste Jesu liegt die eigentliche Botschaft: Gott zieht sich nicht zurück. Auch wenn wir gehen – er bleibt. Die Nähe Gottes ist keine Belohnung für die Treue. Sie ist die Bedingung der Umkehr. Bis zuletzt.

Der Verrat ist keine fremde Geschichte. Er ist nah. Auch wir leben aus der Erwählung – und auch wir tragen die Möglichkeit des Abfalls in uns. Der Bruch beginnt nicht immer dramatisch. Er geschieht im Kleinen: im Schweigen, im Wegsehen, im Ausweichen. Die Frage lautet nicht: Sind wir wie Judas? Sondern: Wo in uns beginnt der leise Schritt weg von Christus?

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